SZ: Dem Landkreis gehen die Frauen aus

Besonders Junge zieht es weg vom Land. Das liegt an ihren Interessen – aber auch an den Gemeinden selbst.

Von Dominique Bielmeier.

Juliane Werner gehört zu einer aussterbenden Spezies: eine junge Frau, die das Landleben liebt. Die 33-Jährige, die seit vergangenem Jahr Gemeinderätin für Diera-Zehren ist, hat fast ihr ganzes Leben in Diera verbracht – mit kurzen Unterbrechungen durch ein Studium in Frankfurt/Oder und Senftenberg sowie einen Au-pair-Aufenthalt in den USA. „In den Städten ist mir die Decke auf den Kopf gefallen“, sagt sie. „Ich konnte mich nicht damit anfreunden, am Wochenende Schaufenster anzuschauen und nichts Nützliches zu machen.“

Nun lebt sie wieder auf einem Drei-Generationen-Hof in ihrem Heimatort, arbeitet im Lebensmittelladen der Mutter und der Haustechnikfirma des Vaters in Nieschütz. Die Pausen verbringt sie oft im Golkwald direkt vor der Tür – für sie wahre Entspannung. „Und wenn ich beim Spazierengehen jemanden treffe, grüßt er sogar.“

Von jungen Frauen, die in der Region bleiben, hier arbeiten, Kinder bekommen und sich wie Juliane Werner auch noch politisch engagieren, profitieren die Gemeinden – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Doch diese Frauen werden weniger.

Eine von der Gleichstellungsstelle des Landratsamtes Meißen in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass es besonders Frauen unter 30 in Scharen in die Städte und weg vom Dorf zieht. Die Soziologin Monika Liebich hat dazu Daten des Statistischen Bundes- und Landesamtes sowie Arbeitsmarktdaten der Agentur für Arbeit ausgewertet.

Demnach leben Frauen am liebsten in den Städten Meißen, Coswig, Riesa und Lommatzsch. In den ländlicher geprägten Regionen Glaubitz, Ebersbach, Wülknitz, Röderaue, Tauscha, Käbschütztal und Lampertswalde gibt es dagegen ein starkes Ungleichgewicht zwischen jungen Frauen und gleichaltrigen Männern. In Glaubitz kommen auf 100 junge Männer nur 34,8 junge Frauen – allerdings macht sich dort auch das Gefängnis in der Statistik bemerkbar. Doch in allen Gemeinden mit Ausnahme von Thiendorf sind Frauen unter 30 gegenüber gleichaltrigen Männern in der Minderheit.

Als Gründe für die Landflucht führt die Soziologin einerseits das höhere Bildungsinteresse der Frauen an: Mehr Mädchen als Jungen gehen aufs Gymnasium, studieren danach entsprechend häufiger. Die Hochschulen im Kreis haben aber nur ein begrenztes Studienangebot. Die Frauen zieht es daher eher nach Dresden oder Leipzig.

Dazu kommt, dass es auf dem Land mehr Stellen in den klassischen Männerberufen wie dem Baugewerbe gibt, während sich Frauen noch immer mehr für den Gesundheits- und Pflegebereich sowie Sozial- und Erziehungsberufe interessieren.

Die Kommunen machen es ihnen jedoch auch nicht unbedingt leichter, sich für das Land zu entscheiden. Der Nahverkehr wird abgebaut oder rationalisiert. „Wenn ich die Verkehrsanbindungen im ländlichen Raum sehe, das ist ja gruselig“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Sylvia Wolf. „In den Ferien fährt oft gar kein Schulbus.“ Längere Schulwege und eine geringe Auswahl an Schulen im nahen Umkreis träfen vor allem Schüler in den wenig bewohnten Gebieten, so die Studie. Oberschüler der Gemeinden Nünchritz, Wülknitz, Glaubitz, Hirschstein, Priestewitz und Diera-Zehren hätten die längsten Schulwege. Zudem gelte: je höher der Bildungsweg, desto verschärfter die Mobilitätsproblematik im ländlichen Raum.

Das Schulangebot sowie auch die Erreichbarkeit von Freizeitangeboten für den Nachwuchs spielen für die Wohnortwahl der Eltern eine entscheidende Rolle. Sylvia Wolf fordert daher: „Die Bürgermeister müssen bei ihren Planungen begreifen, dass sie handeln müssen, um junge Familien hier zu halten -– oder erst anzusiedeln.“

Auch Juliane Werner kennt die Beschränkungen des Landlebens. Man müsse oft überlegen, welche Wege man miteinander verbinden kann. „Schnell mal einkaufen oder sich was zum essen holen, das macht man hier eher nicht.“ Und sie hat auch bemerkt: Die meisten ihrer Freunde wohnen eben doch in der Stadt.

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